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Offenes Gärtnern in Frauenfeld

Farbige Fähnchen wiegen sich übermütig im Wind. Bei Hochwasser ist die Murg zu hören, im Sommer das fröhliche Kreischen der Kinder im nahen Freibad. Inmitten der Stadt erblüht ein Garten, neben Wohnblöcken und Häusern.

Zwei Frauen stellen Gewächs-Stangen im Garten auf

Angefangen hat es 2015 auf einem kleinen Stück brachliegender Wiese. 10 naturverbundene Personen geben sich alle Mühe, daraus ein Gartenparadies zu schaffen. Doch schon damals ist die Fläche für das Vorhaben eher zu klein, weshalb zusätzlich noch Kisten und Behälter mit Erde und Setzlingen befüllt werden. Der Wunsch nach mehr Fläche ist gross, damit wirklich alle, die möchten, die Chance zum Gärtnern bekommen. Im Jahr 2019 kann die angrenzende Schafweide im Leihvertrag von der Stadt übernommen werden. Ein Jahr später wird der Verein offenes Gärtnern in Frauenfeld (ogif) offiziell gegründet.

Ein gemeinschaftlicher Garten

Was aber ist eigentlich ein Gemeinschaftsgarten? Wer Mitglied im Verein ogif ist, darf ein eigenes Stück Gartenfläche bewirtschaften. Jeweils im Herbst, wenn die grossen Ernten durch sind, werden freigewordene Plätze neu vergeben. Unter den ca. 70 Mitgliedern gibt es auch eine Warteliste für freie Flächen. Im eigenen Garten darf nach Eigenregie gepflanzt und geerntet werden. Wer keinen eigenen Garten hat, kann im Kollektiv-Beet mithelfen. Dort gibt es auch eine Experimentier-Ecke, wo exotische Samen aus den Ursprungsländern wachsen. Zum Beispiel Okra (Ladyfinger) aus Äthiopien. Dem Malvengewächs gefällt das Klima in Frauenfeld und so wachst es eifrig. Wenn Gärtnerinnen und Gärtner mit der Ernte nicht mehr nachkommen, haben die farbigen Fähnchen ihren grossen Auftritt. Diese werden dann neben das Gemüse oder die Früchte gesteckt, die bereit sind zur Ernte. Andere Mitglieder dürfen diese nach Hause nehmen.

Auch dem Begriff «Gemeinschaft» wird eine grosse Rolle zugeschrieben. So findet immer am 1. Samstag im Monat der Gartentag statt, der alle angeht. Gemeinsam werden anstehende Arbeiten erledigt: Hecken schneiden, Rasen mähen, Geräte putzen, jäten. Aber auch für einen privaten Schwatz bleibt immer Zeit. Am 1. Donnerstag im Monat findet jeweils die Gartensitzung statt. Dort können persönliche Anliegen eingebracht werden, die dann an der darauffolgenden Sitzung gemeinsam diskutiert werden.

Ein Ort der Inspiration

Im Sommer findet immer ein grosses Fest statt. Zu diesem Anlass lassen sich die Organisatorinnen und Organisatoren etwas Spezielles einfallen – von Bands oder Kochkursen bis hin zum offenen Circle Singen. Letzteres kam bei den Mitgliedern so gut an, dass es nun regelmässig stattfindet. Einmal im Monat erheben sich neben dem Knistern des Feuers verschiedene Stimmen in den Abendhimmel.

Seit 2023 gibt es in Zusammenarbeit mit Bioterra einen Kurs für Gartenkinder. Einmal im Monat, am Mittwochnachmittag erfahren die Kinder mehr über den Jahreszyklus der Pflanzen, Gartentiere und die Bewirtschaftung der Erde. Der Kurs erfreut sich bei den teilnehmenden Kindern, vom 2. Kindergarten bis zur 3. Klasse, grosser Beliebtheit.

Auch in Zusammenarbeit mit Bioterra findet einmal jährlich der grosse Setzlingsmarkt statt. Dazu gehört auch die Tauschbörse, die viele Interessierte anzieht und weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt ist. Hier können überschüssige Pflanzen abgegeben und neue mitgenommen werden. Natürlich findet der Anlass im Frühling statt, damit die gekauften Setzlinge gleich eingebettet werden können. Von der Biogärtnerei gibt es Gemüse zu kaufen und Stift Höfli ist mit Wildstauden präsent. Die Samen kommen von der Saatsgemeinschaftszucht und sind optimal auf den Standort Frauenfeld angepasst. Unter der Projektleitung von Robert Zollinger werden die Züchtungen von einem Team von Freiwilligen im Klostergarten angelegt und dann im Gemeinschaftsgarten ausgesät. Der Garten neben den Klostermauern ist das zweite Standbein des Vereins. Neben Knackerbsen, Popcornmais und Snackgurken werden auch Andenbeeren oder Kürbissorten ausgesät.

Die «essbare» Stadt

Neben dem Wunsch, die Stadt grüner zu machen, hatten die Gründerinnen auch die Vision einer «essbaren» Stadt und den Einwohnenden Frauenfelds die Gartenkultur näher zu bringen. Mit der Stadtbelebung sollen sich diese dem Grün bewusst werden und vorhandene Flächen bepflanzt werden. Ein zusätzlicher Zweig des Vereins ist deshalb das «urbane Gärtnern». An diversen Standorten in der Stadt wurden mit Paletten kleine Gärten konstruiert oder Beete angelegt. Zwei Gärtnerinnen kümmern sich liebevoll um deren Bepflanzung und Bewässerung. Ernten dürfen aber alle, die beim Vorübergehen Lust haben, eine reife Frucht oder ein Gemüse mitzunehmen oder direkt zu Verspeisen.